wöchentliche Kolumne

Bild von Brigitte Koischwitz

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„Stille Nacht, heilige Nacht, leise rieselt der Schnee …“, solche Texte klingen nach inniger Beschaulichkeit, leichten Tritten in frisch gefallenem Schnee.

Da möchte man sich bei Kerzenschein in eine Decke kuscheln und duftenden Tee genießen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Weihnachtsmärkte überall, die mit Riesenrad, diversen Glühweinbuden und deftigen Bratwürstchenständen plus Blasmusik, den Charme eines Oktoberfests ausstrahlen. Da gibt es Leute, die bundesweit von einem Weihnachtsmarkt zum anderen hecheln, in der Angst, sie könnten vom Glöckchenklingeln was verpassen. Weiterhin ist an Ruhe kaum zu denken, wenn es darum geht, den Heiligen Abend zu gestalten. In den meisten Fällen trifft sich die gesamte Familie unter dem bunt geschmückten Weihnachtsbaum. Eine wundervolle Angelegenheit! Aber so ein Treffen will bewältigt werden. Das schreit nach gutem Essen, besser einem besonderen Essen, dass die gesamte Familie in die Knie zwingt und den Koch auf einen Thron mit Krönchen hebt, von dem man noch lange spricht. Allein die Tatsache, dass eben zu Heiligabend alte Traditionen ausgebuddelt werden und in die Tat umgesetzt werden müssen, führt dazu, dass alle Besinnlichkeit erst mal vergessen ist, weil sich alles nur ums Essen dreht. Und gutes Essen verlangt nach reichlich Zutaten. Diese Tatsache führt dazu, reichlich einzukaufen. Mit anderen Worten der absolute Ansturm auf sämtliche Supermärkte beginnt, weil alle auf einmal alles wollen. Deshalb prügelt man sich um jeden Einkaufswagen, als hätte Napoleon mit dem Einmarsch seiner Truppen gedroht. Aber bei all dem Gerenne ist besonders an der Fleischtheke Geduld gefragt, denn Weihnachten ist eben nun mal das Fest der üppigen Braten. Ob Ente, Gans, Hirsch oder Rind, da ist großes Schlachten angesagt.

Und was Traditionen anbelangt, trifft es nicht immer den gesamten familiären Geschmack. Omas Lebkuchensoße zu Karpfen blau oder Pflaumensoße zu Krustenbraten, da dreht sich bei manchem der Magen um, doch wird sie lobend und lächelnd verzehrt. Aber dann melden sich die Gallensteine von Onkel Max und er fällt mit einer Kolik vom Stuhl. Und während Tante Martha mit feuchtwarmen Wickeln, das Schlimmste verhindern will, ruft Neffe Robert schon den Notarzt herbei. Da kommt Leben in die Bude, wenn das ganze Helferteam unter dem Weihnachtsbaum kniet und den Onkel auf die Trage schnallt, um ihn ins Krankenhaus zu fahren. Bei all der Aufregung ruft Mutter nach den Herztropfen, während Vater sich den Magen hält. Doch am Ende bläst Enkel Fabian zur Bescherung auf der Flöte und alle singen einträchtig: “Stille Nacht heilige Nacht…,“ und schwärmen, „ach ist das nicht ein schönes Fest!“